Freitag, 16. Mai 2014

Kind Nr. 3...oder warum ich es nochmal wissen wollte

Durch den Einzug der kleinen Maus wurden wir zur typisch deutschen Familie, die durch das zweite Kind die Norm von 1,3 Kindern (wie das faktisch aussieht würde ich gerne sehen) pro Familie mehr als erfüllt hat. Es war auch nicht so, dass uns die beiden Mädels nicht ordentlich auf Trab hielten...und doch entschlossen wir uns, es nicht bei den beiden zu belassen.
Dekadent, mag nun manche Leserin denken, die noch immer einen unerfüllten Kinderwunsch hegt. Recht hat sie! Und doch hatte dieser Kinderwunsch ganz andere Hintergründe. Unsere Pflegetochter war gerade 2 Jahre bei uns, als sich ihr leiblicher Vater aus der Versenkung über das Gericht meldete. Urplötzlich zeigte er Interesse, seine Tochter, die er verwahrlost zurückgelassen hatte, wieder zusehen.
Es begannen Kontakttermine, begleitet durch einen Träger des Jugendamtes, die für alle Nervenaufreibend waren. Der "Vater" erschien nur sporadisch, drohte uns dann per SMS, dass er den Aufenthaltsort der Maus herausfinden würde und wir dann schon sehen würden, was passiert.

Schließlich erschien er gar nicht mehr. Unsere Tochter reagierte heftig, wenn ein solcher Termin stattfand. Sie schrie und weinte nachts, war während und nach dem Kontakt apathisch. Das Schlimmste jedoch war unsere Hilflosigkeit. Es gab keine rechtliche Möglichkeit, den Kontakt zu unterbinden. Als Erzeuger hat er das Recht, wann immer ihm der Sinn danach steht, Kontakte einzufordern. Schließlich gab es einen Gerichtstermin, nachdem er nach langer Abwesenheit beantragte, die Maus zurück zuführen, obwohl er sie in drei Jahren nur drei Mal hatte sehen wollen. Wir durften gar nichts dazu sagen, uns nur beleidigen lassen. Den Richter beleidigte er auch, somit verteilte er immerhin seine Unfähigkeit, sich an Regeln und Gesetze zu halten, gerecht.
Und doch wurde ihm erneut das Recht eingeräumt, die Maus zu sehen.
Und, wenn er es dieses Mal schaffte, regelmäßig die Kontakte wahrzunehmen, sie auch zu sich zurückzuholen.
Wir waren zutiefst schockiert. Und deprimiert. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Die Maus war Gott sei Dank zu jung, um zu begreifen, was sich im Hintergrund abspielte. Sie war fest integriert in unsere Familie. Für sie gab es nur einen "Papa".... Und ihre Schwester, unser Böhnchen.
Wir allerdings zitterten, dass wir sie an diesen Menschen, der offiziell bescheinigt bekam, ein Soziopath zu sein, zurückgeben zu müssen.
Wenn es ihm allein um das Kind gegangen wäre, hätten wir vielleicht Verständnis für sein Ansinnen gehabt. Doch ihm ging es nur darum, sich gegen den Gerichtsbeschluss aufzulehnen, der ihm etwas auferlegte, was ihm nicht passte.
Auch an unser erstes Kind bangten wir. Was geschah mit der kleinen Kinderseele, wenn ihre Schwester  -als nichts anderes kannte sie sie- aus der Familie gerissen wurde?
Wir diskutierten heftig miteinander und kamen überein, es nochmal zu wagen und erneut die Kinderwunschklinik aufzusuchen. Ich hasste es, hatte ich doch gedacht, das ganze ärztliche Prozedere nicht noch einmal durchlaufen zu müssen. Was man seinem Körper damit antut ist die eine Sache. Viel schwerwiegender war für mich der psychologische Aspekt.
Damit meine ich nicht nur das Bangen und Hoffen, die Stimmungsschwankungen durch die Hormone. Vielmehr die Unpersönlichkeit des ganzen Prozederes greift die Nerven an. Bei fast jedem Termin fragte uns der Arzt, was bisher versucht wurde. Niemand schien sich die Zeit zu nehmen, vorher in die Akte zu sehen. Noch unwürdiger war das Verfahren nach dem Transfer der befruchteten Eizellen: noch auf Bett liegend, mit dem man in ein extra Zimmer geschoben wurde, legte mir die Ärztin einen Umschlag mit der Rechnung auf den Bauch! Das damit einhergehende entschuldigende Lächeln hätte sie sich sparen können. Noch heute frage ich mich, warum das so gehandhabt wurde, zumindest in unserer Klinik. Wollte man sich das Porto sparen. Hatten sie Angst, es würde uns etwas zustoßen, bis uns die Rechnung auf dem Postweg erreichte. Ich finde diese Verfahrensweise sehr unwürdig. Und ich sagte es auch der Ärztin, nachdem wir wieder einen Versuch, diesmal mit eingefrorenen Eizellen aus dem letzten Behandlungszyklus, hinter uns hatten. Immerhin schien sie ehrlich betroffen zu sein und sagte uns, dass sie an die Richtlinien der Klinik gebunden sei.
Später erfuhr ich, dass sie dort kurze Zeit später nicht mehr tätig war.
Dass sie für sich die Konsequenz aus diesen Patientenfeindlichen Vorgaben der Klinik gezogen hat, ist nur Spekulation. Ich hoffe aber, dass es so war.
Nach einem fehlgeschlagenen kompletten weiteren Versuch bei einem anderen Arzt, wollte ich nicht mehr.
Die Worte des Arztes bei der Nachbesprechung wollten mir dann aber doch nicht aus den Kopf gehen. Er war sich sehr sicher, dass ein weiterer Versuch Sinn mache würde. Wir hätten gute Vorraussetzungen gehabt und sollten es uns überlegen. Es folgten weitere schlaflose Nächte. Die Sorge um die Rückführung der Maus, die Konsequenz für den Rest der Familie und die Entscheidung, doch noch einen Versuch zu starten, zerrten an uns beiden.
Die Hoffnung siegte und wir waren uns einig diesen einen letzten Versuch durchzuziehen. Endgültig.
Ich ging dieses letzte Mal anders in den Zyklus. Ich war nicht mehr aufgeregt, sah es als Abschluss und Entscheidung des Schicksals an. Ich bangte und hoffte nicht mehr. Vielleicht war ich auch einfach nur zu müde....
Als die Zeit zur Blutentnahme und damit zum gefürchteten Anruf kam, ob ich schwanger geworden war, kniff ich. Ich schwänzte die Blutentnahme. Ich machte keinen Termin zur Besprechung mit dem Arzt ab.
Es fühlte sich so gut an! Ich lebte mein Leben weiter, ohne die Gewissheit, ob der letzte Versuch Erfolg gehabt hatte. Kurios waren dabei zwei Dinge:
-Die Kinderwunschpraxis meldete sich erst ein ganzes Jahr (!) später und fragte nach, ob ich schwanger geworden war. Soviel zum Thema Patientenfürsorge.
-Mein Mann traute sich nicht zu Fragen, wie das Ergebnis ausgefallen war. Er wusste nicht, dass ich nicht zur Blutentnahme gegangen war und dachte, sie sei negativ gewesen.
Als ich deutlich "drüber" war, machte ich selbst einen Schwangerschaftstest. So wie jede Frau, die auf natürlichem Wege schwanger werden konnte. Meine Gleichgültigkeit war verschwunden. Mir zitterten die Hände, als ich das Ergebnis ablas: positiv!
Ich konnte und wollte es nicht fassen. Nach vielen Tränen der Fassungslosigkeit und der Erleichterung nahm ich den Test, legte ihn in eine Schachtel, zusammen mit zwei Babyschühchen, und schmuggelte sie in die Arbeitstasche meines Mannes.
Wenige Stunden später rief er an. Ebenso fassungslos wie ich.
Ungefähr neun Monate später wurde unser Sohn geboren. Er ist und wäre nie ein Ersatz für unsere Maus gewesen. Auch wenn ich ehrlich zugeben muss, dass wir die weiteren Versuche vielleicht nicht unternommen hätten, wenn wir nicht in der Angst gelebt hätten, dass unserem Böhnchen die Schwester genommen wird.
Gott sei Dank ist sie uns nicht weggenommen worden. Zumindest noch nicht. Sie wird nun bald Sieben und der leibliche Vater hat sich seit Jahren nicht mehr gemeldet.
Doch das heißt nichts. Er hat jeder Zeit das Recht, erneut Kontakt zu beantragen und eine Rückführung ins Auge zu fassen. Damit müssen wir leben, hoffen jedoch, dass die Zeit für uns arbeitet. Die Maus ist bald so alt, dass auch ihre Meinung gehört werden würde.
In meinem nächsten Blog geht es um unseren Murkel.
Nach seiner Geburt waren wir überglücklich, doch schon wenige Tage später brach die Welt für uns zusammen....