Dienstag, 13. Mai 2014

Kinderlosigkeit und andere Kleinigkeiten

Das Leben könnte so einfach sein: Verliebt, verlobt, verheiratet...und Kinder! So der kosmische Plan. Nicht für uns. Lest, was passiert, wenn der Plan nicht aufgeht und doch alles irgendwie zusammen passt. Ein Post zum Lachen, Nachdenken und Mut machen.

Alles begann vor über zehn Jahren. Mein Mann und ich waren schon seit einigen Jahren zusammen, hatten geheiratet und waren bereit für den nächsten, logischen Schritt: Kinder.
Blöd nur, dass die so gar nicht kommen wollten. Wir verschlangen jegliche Fachliteratur zum Thema schwanger werden, klammerten uns an den profanen Spruch "So was klappt halt nicht sofort". Das "sofort" dauerte 2 Jahre. Dann holten wir uns medizinischen Rat. Unzählige Untersuchungen und mehrere Tausend Euro später waren wir noch immer nicht viel schlauer. Wir waren "reproduktiv eingeschränkt" wie es im Fachjargon heißt. Doch niemand wusste warum. Die Fragen von Freunden und Verwandten " wann es denn endlich soweit wäre" wurden nach und nach weniger und obwohl genau das früher so genervt hatte, machte es mir nun Angst. Ich war  fast 35 Jahre alt, hatte einen tollen Mann und im Job einiges erreicht....nur das eben nicht. 
Es zehrte mit der Zeit an uns beiden. Die vielen Untersuchungen, geplante Zyklen, Hormonbehandlungen und mehrere Inseminationen. Wir waren nur noch auf das Ziel "Kind" ausgerichtet. Kurz vor Weihnachten  2005 mochte ich mich selbst nicht mehr leiden. Aufgedunsen von Hormonen, unzufrieden über meine  (und insgeheim auch seine) Unfähigkeit, das Ersehnte zu erreichen. Selbst Besuche im bekannten schwedischen Möbelhaus wurde zur Tortur. Überall liefen Schwangere herum und ärgerten mich mit ihren runden Kugeln, die sie wie selbstverständlich vor sich her trugen. Ich gönnte es ihnen nicht. Schlimmer noch waren Schwangere in der näheren Bekanntschaft. Was hatten "die" schwanger zu sein, wenn ich es nicht schaffte.
Mir graulte vor dem Weihnachtsfest im trauten Familienkreis. Ich war der festen Überzeugung, dass sie mich mitleidig beobachten würden, wussten sie doch, dass keiner unserer Versuche funktioniert hatte. Als ich an dem Abend das Geschenk meines Mannes auspackte, musste ich lachen und Weinen zu gleich: Er hatte in einem hübsch dekorierten Schuhkarton, versteckt unter einem Berg von Süßigkeiten, einen Kauknochen verpackt!
Er wusste, wie sehr ich mir einen Hund wünschte, hatte sich jedoch seit Jahren mit Händen und Füßen gewehrt, da "die doch so viel Arbeit machen".
Ich bin mit Hunden aufgewachsen und hatte erbittert dafür gekämpft, dass er seine Meinung ändert. Ich versuchte es mit zuckersüßer Überredung nach dem Motto:" Du brauchst dich um nichts zu kümmern, ich mache alles alleine", bis zu nervigen Quengeleien:" Wenn ich keinen Hund haben darf, dann liebst Du mich nicht...". Schrecklich, ich weiß. Und doch schien mein Mann genau den Zeitpunkt gefunden zu haben, an dem ein Hund mich buchstäblich aus dem Sumpf der Reproduktionsmedizin heraus zog.
Gleich nach dem Feiertagen zogen wir los. Mit Unterstützung meiner Schwester klapperten wir erst die Tierheime ab. Ohne Erfolg. Wir hatten uns geeinigt, einen jungen Hund aufzunehmen, doch es waren keine abzugeben. Fieberhaft studierte ich die Kleinanzeigen und wurde fündig. In Kremmen gab es einen Bauernhof, auf dem Dalmatinermischlinge ein Neues zu Hause suchten.
Ich vereinbarte mit den Besitzern gleich für den nächsten Tag einen Termin. Als wir auf dem schneebedeckten Hof ankamen, hörten wir schon Hundegebell und mir war sofort klar, dass ich nicht ohne "meinen" Hund wegfahren würde.
So kam es auch. Sie hatten drei Welpen dort, von denen zwei wild miteinander spielten. Der Dritte saß an der Seite und beobachtete uns still, aber neugierig. Als er langsam näher kam und meine Hand ableckte, war es beschlossen: "Mirakel" kommt mit!
Auf der langen Fahrt nach Hause lag er zitternd in meinem Arm und schniefte ganz jämmerlich. Dann übergab er sich über meine Jacke. Egal, ich war glücklich...und mein Mann seltsamer Weise auch. 
Die Monate vergingen. Wir tauften unser "Söhnchen" um in "Poldi", das passte viel besser zu unserem tollpatschigen verschmusten Hund. Nach einem halben Jahr, in dem niemand mehr das Wort "Kinderwunsch" in den Mund nahm und sich alles um Poldi drehte, waberte es langsam wieder hoch: Dieses schreckliche Gefühl, nicht alles gegeben zu haben. Klar, Poldi war toll. Doch war ich nicht eine derjenigen, die andere müde belächelte, wenn sie ihr Haustier zum Kindersatz umfunktionierten?! Ich musste es noch einmal wissen, noch einen Versuch im Kinderwunschzentrum wagen. Dieses Mal das komplette Programm: ICSI. Wer sich nicht mit den Begrifflichkeiten auskennt: es handelt sich um eine künstliche Befruchtung (IVF) außerhalb des. Körpers, bei der der Samen des Mannes zusätzlich in das Ei injiziert wird, um die Befruchtung zu begünstigen. Da die Vorbereitung (Hormonspritzen, Untersuchungen etc.) langwierig ist, waren wir erst im Spätsommer so weit, den Transfer der befruchteten Eier durchzuführen.
Uns war klar, dass es keinen neuen Versuch geben würde. Alles oder nichts. Unsere Arztrechnungen beliefen sich auf die Summe eines Kleinwagens, doch das war nicht das Entscheidende. Es sollte irgendwann gut sein. Wir hatten nun wirklich alles getan, es lag nicht mehr in unserer Hand.
Hatte ich zunächst Angst vor dem Transfer, war ich doch zum Zeitpunkt der Rückgabe der befruchteten Eier unheimlich ruhig. Ich hatte abgeschlossen, es gab nichts mehr zu tun.
Leider war die Ruhe trügerisch. Nach 14 Tagen sollte ich zum Bluttest, bei dem festgestellt wurde, ob ich Schwangerschaftshormone hatte, oder nicht. Ich hasste diese Blutabnahmen. Zu oft hatte ich sie machen müssen, um später im Telefonat den Satz:"es tut mir leid, es hat dieses Mal nicht geklappt" zu hören. Vor jeder Schulprüfung war ich entspannter. Ich ließ meinen Mann anrufen und wappnete mich gegen den letzten, finalen Tiefschlag. Trotzdem wollte die Hoffnung sich nicht vertreiben lassen und ich schielte verstohlen zu ihm herüber, um seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Er nickte bedächtig, aber mehr als ein "hm" war nicht zu verstehen. 
Er legte auf, sah mich an und grinste. Er grinste tatsächlich!!! Bei diesem warmen Gefühl, dass sich in mir ausbreitete, kommen mir noch heute die Tränen. Meine Hände zitterten und ich wusste nicht, was ich zuerst machen sollte. Wir umarmten uns und ermahnten uns, nicht zu euphorisch zu sein. Zu lange hatten wir auf das "herzlichen Glückwunsch, es hat geklappt" gewartet. Wir warteten die ersten 3 Monaten, bis es die Familie und danach die Freunde erfuhren.
Ich liebte es, schwanger zu sein. Die knappsten Umstandshemden waren meine. Jeder sollte sehen, dass wir ein Kind erwarteten. Ins schwedische  Möbelhaus ging ich nun lieber, als je zuvor. Gab es dort doch jede Menge Inspiration fürs Kinderzimmer. Für meine Umwelt war ich nun sicherlich nicht leichter zu ertragen als vorher, gab es doch kaum ein anderes Thema, als unser "Böhnchen".

Im nächsten Blog erfahrt ihr, wie es nach "Böhnchens" Geburt weiterging und was passiert, wenn man noch immer eine Sehnsucht fühlt, die nun erfüllt schien......

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